52. cal-tex

52. cal-tex


„Nehmen Sie die Banane und schneiden Sie sie an der Seite auf. Legen Sie dann einige Stücke dunkler

Schokolade hinein und erhitzen Sie sie vier Minuten in der Mikrowelle bei Auftautemperatur.

Servieren Sie mit Vanilleeis und dem Kaffeelikör Kaluka. Vivian, ich lernte dieses Rezept kürzlich in

der Mother-Steward-Sendung und probierte es aus. Das Dessert schmeckte vorzüglich. Hat Troy heute

frei zum Waschen und Stylen?“

„Was? Das ist ja schrecklich! Es gibt also keine Chance, es sei denn sie ersetzen den gesamten Oberschenkel.

Würde das nicht ziemlich teuer? Wie viel insgesamt? Oh, Gott, Vivian! Tut mir sehr leid.

Wird denn die Katze weiterleben? Wie geht Troy damit um? Die Termine in der kommenden Woche

hat er abgesagt? Wirklich schlimm. Drücke ihm mein Mitgefühl aus! Ich weiss, wie belastend das ist.

Meine Katze habe ich bei dem Brand verloren.“

„Martin geht’s gut. Ja, er muss ruhig bleiben, darf nichts mehr heben, aber hat ja nie viel gehoben.“

Sie lächelte über ihren Witz. „Er arbeitet schon wieder. Du kennst den Workaholic.“

„Hast du was über die Versammlung in der Stadt gehört? Ja, die der jungen Millionäre. Nein, Martin

hat wohl damit nichts zu tun. Nein, ich habe nur gefragt. Erst vor kurzem habe ich davon erfahren;

beim Surfen im Internet gelangte ich zum Programm des F.T.C.“

„Was, Liebling? Nein, der Toaster ist eben nicht hochgesprungen. Du musst den Fernseher gehört

haben.“ Sie nahm die Fernbedienung aus der grossen Tasche ihrer Moo-Moo-Jacke, streckte einen

Arm zur Medienanlage im Wohnzimmer aus und stellte sie ab. Dann setzte sie das Gespräch mit

Vivian im Frisörsalon ‚Whip Curl‘ fort.

„Hörst du mich jetzt besser?“, seufzte Dee. „Ich bin bei meiner Tochter. Die Maurer sagen, es wird

eine Weile dauern. Wir haben die Katze verloren, fanden sie tot neben der Mikrowelle liegen. Sie war

an Rauchvergiftung verendet. Viele unersetzliche persönliche Dinge habe ich eingebüsst. Sie zögerte

um ihren Schmerz zu unterstreichen.“

„Nun, passt der Donnerstag? Um elf, damit ich um zwei wieder zurück bin. Perfekt, denn dann

werde ich meine Seifenopern nicht versäumen. Kann jemand meine Nägel behandeln? Danke, Viv-

Doll. Wünsch dir eine schöne Woche.“

Dee legte auf und dachte über den nächsten Schritt nach. Sie füllte ihren Becher mit Wasser, schüttete

einen Löffel Puderkaffee hinein und legte eine Tüte tiefgefrorener Croissants in die Mikrowelle.

Sie stellte den Becher dazu und drückte auf den Startknopf. Dann schaltete sie die Anlage wieder ein.

„Dreissig Millionen wurden gewarnt. In den nächsten Wochen wird die grösste Evakuierung in

der Geschichte Chinas beginnen. Starke Niederschläge haben das Land heimgesucht. Die Staudämme

in Nordchina sind bereits randvoll. Auch die Regenwasserreservoirs sind schon lange gefüllt. Was

sich vor einer Woche bereits angekündigt hatte, ist eingetreten. Das ‚Drei-glückliche-Tage‘-Projekt

droht zerstört zu werden. Um 18.00 Uhr folgt eine Sondersendung.“

„Überraschend haben Palästina und Israel damit gedroht, die für den nächsten Monat in Istanbul

geplante Nahost-Konferenz über Wasser und Bodenschätze zu boykottieren. Beide Länder sind Schlüsselm.chte

bei den Verhandlungen. Als Grund gaben die Sprecher die Stagnation im Friedensprozess

an“

„In Nordeuropa haben ungewöhnlich warme Luftströmungen mit Geschwindigkeiten von bis zu

zweihundert Kilometern pro Stunde Bäume gefällt, Gebäude zerstört und Stromausfälle verursacht.

Bisher wurden sieben Menschen getötet und viele verletzt. Ein Bauer berichtete, dass sein Vieh, als das

Dach des Stalls weggeweht worden war, fortgeschwemmt wurde.“

„In Moskau hat heute die Duma Massnahmen beschlossen, die von früheren Regierungen hinterlassenen

Umweltschäden zu beseitigen. Dem Parlament wurden Gesetzentwürfe vorgelegt, die


mindestens fünfzig Jahre lang für grosse Gebiete keine Besiedlung mehr gestatten. Dadurch soll verhindert

werden, dass noch mehr Menschen Schaden erleiden.“

„Es ist jetzt amtlich! Das Sir-Henry-Ufer steht unter Wasser. Das Geologische Landesamt hat mitgeteilt,

dass die einhundert Meter lange Sandbank vor der Küste von Massachusetts schon einige Zeit

als Indikator für globale Erwärmung gilt. In den letzten Jahrzehnten ist sie immer mehr abgetragen

worden. Stürme und der steigende Meeresspiegel haben sie nun völlig verschwinden lassen. Die

Gesetzgeber werden angemessen gegen die weitere Erosion vorgehen müssen.“

„Jetzt zu einigen lokalen Nachrichten.“ Eine zweite Kamera zeigte den Sprecher aus einer anderen

Perspektive. „Die Debatte über den Kalifornien-Streit ist in vollem Gange. Wachsendes Misstrauen zwischen dem Norden und dem Süden hat zur Bildung einer Allianz geführt gleichzeitig mit der Wahl im

nächsten Jahr eine Volksabstimmung durchzuführen. Die Separatisten wollen das Land teilen. Aber

wozu gehört Fresno? Zum Süden. Norden oder zur Mitte? Sollten wir unseren eigenen Staat gründen?“

„Dazu haben wir Zuschauer um ihre Meinung gebeten.“

„Danke, Stan. Hier spricht Patty Sanchez aus dem Burger Queen in der Mall im Stadtzentrum.

Wegen des Regens sind wir hierhin ausgewichen um Gäste zu befragen.“

Ich komme aus L.A., einer wachsenden Stadt. Wir benötigen viel Trinkwasser. Mit Kalifornien wird

heute meist Hollywood, Militäranlagen und Disneyland assoziiert, die sämtlich im Süden liegen.

Niemand würde in das Land der Säue, Nüsse und Silikon kommen, wenn es hier nicht auch die Unterhaltungs- und Kriegsindustrie gäbe.“

Ich bin nicht hier geboren. Meine Familie zog hierher, als ich noch ein kleines Mädchen war. Mir

ist es egal. wo die Grenzen verlaufen. Ich habe immer in Fresno gelebt. So werde ich zu dem Staat

gehören, in dem die Stadt liegt.“ Die beleibte Kellnerin kicherte. „Viel wird sich nicht ändern.“

„No lo so, Mann. Yo viva en Fresno con mia familia. Mia familia waren Farmer bis zu mia Generation,

Mann“, sagte La Cholla, als sie in die Kamera blickte. Yo creo, me gusta mejor la parte de

California que habla espanol. Por qué no hablamos espanol in California? Wir werden für unsere

Latino-Kultur kämpfen.“ Sie ballte eine Hand zur Faust.

„Und was denken Sie, mein Herr?“, fragte Patty einen alten Mann mit Schnurrbart.

„Am besten alle raus! Dahin zurück, woher sie gekommen sind. Kalifornien war vor dem Krieg

sehr schön: kleine Städte mit freundlichen Menschen. Es gab ein richtiges Gemeinschaftsgefühl. Aber

die Leute aus dem Osten brachten eigenartige Ansichten mit und verbreiteten sich virusartig. Daher

kommt die ganze Unruhe. Lassen wir Kalifornien, wie es ist.“

„Und Sie?“ Patty reichte das Mikrophon jemandem, der gerade hereingekommen war. „Was denken

Sie? Soll Kalifornien geteilt werden?“

„Aus Vernunftgründen kam ich hierher, und damit meine ich folgendes: Als im Norden lebend

befürworte ich eine Teilung und erkläre mich zum ersten Go-Go-Tänzer des neuen Staates. Ich möchte

für eine gesündere Gesellschaft auf der Bühne tanzen. Der neue Staat sollte Eureka heissen. Der

Süden kann Fresno und den Namen behalten.“ Ickys Gesicht verschwand und Patty erschien auf dem

Bildschirm.

„Sie hörten die Meinungen einiger Landsleute oder sollte ich sagen“, sie schüttelte den Kopf,

„Eurekanier über die Teilung. Nun gebe ich weiter an Weather Bud.“

„Hallo und vielen Dank, Patty. Hier also Weather Bud vor dem Fresno Community Theater, wo der

Empfang der Young Millionaires Convention stattfindet. Über fünfhundert junge Millionäre aus dem

ganzen Land und ihre Ehefrauen sind eingetroffen um ihre Erfolge zu feuern, in Fresno Geld auszugeben

und dem Millionär, der die Stadt zur Blüte gebracht hat, die Ehre zu erweisen. „Nächstes Jahr

wird Mr. Al Thorndorn, Generalmanager von Realife, fünfzig und dann wohl ein alter Millionär sein“,

witzelte er.

„Wie Sie sehen können: …“ Er streckte seine Hand aus nach einigen Tropfen, die er dann abschüttelte,

„es regnet und regnet, und wie in vielen anderen Gegenden der Welt auch leidet Fresno


durch die Klimakatastrophe. In einigen Gebieten des Valley gab es Überschwemmungen. Das hat

aber die Stimmung der jungen Millionäre nicht getrübt, die sich gerade zum ersten Mal im F. C.T.

treffen. Es herrschen strenge Sicherheitsbestimmungen. Dafür sorgen über einhundert Personen.

In der nächsten Woche werden wir Ihnen über die Höhepunkte berichten. Vergessen Sie auch nicht

den Fernseher einzuschalten, wenn das Theater im Lichtermeer erstrahlt und Glitzer und Glamour

der Roben zu geniessen sein werden. Hoffentlich wird dann das Tief Yambert über das Zentrum hinweg

gezogen sein.

Leider wird es sich wegen einer Hochdruckzone vor der Küste, verursacht durch die warmen Wassermassen

von El Nino, in den nächsten vierundzwanzig Stunden nicht bewegen. Mehr dazu um

18.00 Uhr. Wieder zurück zu dir, Stan.“

„Danke, Bud. Wir berichten über eine Legende unserer Zeit. Ich hatte das Vergnügen mit Norma

Child zu sprechen, die mit einem Millionär, nämlich ihrem Ehemann, auch hier ist und bei der Gala

als Gaststar auftreten wird. Wir sind gleich wieder da.“

Die Mikrowelle hatte schon geklingelt, als Dee den Fernseher leiser schaltete und aus dem Fenster

schaute. Die Strasse war vom Regen überspült und Regenwasser schwappte schon auf die Auffahrt.

Sie war allein in einem seltsamen Haus. Bianca hielt sich im Fruit Street Art and Crafts Center

auf um geistig Behinderten die Herstellung von Blumenarrangements beizubringen. Martin hatte

nach der Arbeit einige Bowlingkumpel treffen wollen und würde erst später heimkommen.

Dee befand sich allein in einem seltsamen Haus, in dem es eigenartig roch. Sie hatte ihre Medikamente

und Spielkarten nicht dabei und fühlte sich wegen unregelmässigen Stuhlgangs nicht wohl.

Wenn sie schon in ihrem eigenen Haus nicht viel zu tun hatte, so hatte sie hier fast gar nichts zu tun.

Sie durchstreifte das Gebäude und seufzte. Den Lebensstil ihrer Tochter verstand sie überhaupt

nicht. Eine Frau immer in Bewegung, genau wie ihr Vater, dachte sie, umgeben von Minderwertigem.

Es sah tatsächlich so aus, als ob Bianca packen könnte um innerhalb von vierundzwanzig Stunden in

die nächste Stadt zu ziehen. Nichts schien Bestand zu haben: Wegwerfkiefertische, Küchenger.te

vom Partyservice, ein zusammengebautes Regal mit Werbematerial, zwei Loungestühle und ein Sofa,

das man Bianca geschenkt hatte, als sie auszog um das College zu besuchen. Selbst von aussen sah das

Haus wertlos aus, so als ob es bald abgerissen und irgendwo wieder aufgebaut werden sollte

Das Telefon läutete. Sie blieb bewegungslos stehen. Der AB sprang an. „Hallo, Mutter, hier ist Bianca.

Ich weiss, dass du zu Hause bist: aber du brauchst nicht abzuheben.“ Dees Hand wich von dem

Hörer zurück. „Ich bin im Büro des Centers. Viele wollen auch noch anrufen, so dass ich mich kurz

fassen muss. Die Fruit Street ist vollkommen gesperrt. Wir können die Walnut Avenue nicht überqueren.

Ich werde mit meinen Leuten hier bleiben müssen, bis sie herausgeholt werden können. Es

könnte die ganze Nacht andauern. Hoffentlich ist in deiner Gegend alles in Ordnung. Meine bevorzugte

Seifenoper fängt gerade an. Sei so nett und sage mir, was passiert. Mutter, ich rufe so bald wie

möglich wieder an. Alles Liebe.“

Dees Nacken verkrampfte sich, sie fasste sich an den Hals. Angst um ihre Tochter ergriff auch

ihren Körper.

Sie atmete tief durch um sich zu beruhigen, lief zur Mikrowelle und nahm den Kaffee und die

dampfenden Croissants heraus. Sie legte die Tüte auf eine weisse Corning-Ironware-Platte und stellte

den Kaffeebecher ab.

Sie wanderte dann von Zimmer zu Zimmer und beschloss den Arzneischrank zu durchsuchen.

Sie schaute, ob sie ihm etwas entnehmen, etwas ordnen oder nur betrachten sollte. Dann blieb sie vor

einer weissen Wand im Schlafzimmer stehen. Unzufrieden stiess sie gegen ein Plüschtier in einer

Ecke. Schliesslich ging sie zu ihrem Imbiss zurück, riss die Papiertüte auf und biss missmutig in eins

der Blätterteighörnchen.

Plötzlich erklang die Eröffnungsmusik und erschien die Vorschau zu Biancas Lieblingssendung,

die programmiert automatisch auf dem Bildschirm zu sehen war. Sie drehte lauter und das Haus war


erfüllt von der Atmosphäre der Soapoper, die sie selbst nicht regelmässig, aber diesmal ihrer Tochter

zuliebe sich anschaute. Sie trug das Essen ins Wohnzimmer hinüber und nahm auf dem Sofa Platz.

Dee war froh sich eine Zeitlang in den Problemen von jemandem auszuruhen und vergass ihre

Absicht eine Beruhigungstablette einzunehmen.

„Ich war im Stadtzentrum um etwas für deinen Säugling zu besorge, habe Paul im ‚Four Seasons‘

getroffen und sehe dich zufällig durch das Foyer laufen am Arm eines fremden Mannes.“

„Oh, es war ein Schulfreund aus der ‚Rocky Mountains Highschool‘. Er hält sich wegen des Sundance

Festivals in der Stadt auf. Mr. Hedford wollte mich zum Mittagessen einladen und ich dachte,

wir könnten etwas im Hotel einnehmen.“

„Im Restaurant habe ich dich nicht gesehen.“

„Richtig, denn wir waren oben in der Bar, genossen den wunderbaren Rundblick und konnten bis

zu den Rocky Mountains sehen.“

„Wie lange wird Mr. Hedford noch bleiben?“

„Bis zur nächsten Woche. Er hat ziemlich viel Arbeit bei dem Festival. Deshalb konnten wir uns nur

zu dieser Zeit sehen.“

„Heisst er nicht Robert mit Vornamen?“

„Ja, warum?“

„Paul kennt ihn vom ‚Rocky Mountain‘“.

„Ich bin nicht dort gewesen.“

„Aber ihr wart doch beide im zweiten Studienjahr in London. Seid ihr euch denn dort nie begegnet?“

Es gab eine Werbepause und ‚A Pair of Mom and Dad Dancing Socks‘ erschien im Fernsehen.

Nach der Soap liess Dee das Gerät einfach weiter laufen und bereitete ein warmes Schönheitsbad

vor. Aus dem Nippesregal holte sie eine Kapsel farbigen Badeöls, drückte sie ganz fest und warf sie

über ihre rechte Schulter, so dass sie mit schönem Widerhall in das laufende Wasser platschte. Das

bekräftigte Dees Hoffnung, dass ihr kürzlich geäusserter Wunsch erfüllt werden könnte. Während

die Badewanne sich langsam füllte, kehrte sie zum Wohnzimmer zurück und stellte fest, dass Prediger

Dans einprogrammiertes Gesicht auftauchte,

„Brüder und Schwestern! Habe ich euch schon die Geschichte von dem faulen Hund erzählt?

Der war der faulste Typ überhaupt, denn den ganzen Tag lag er nur herum. Nur bei Hunger bewegte

er sich. Alle hielten ihn für einen Nichtsnutz. Aber er bekam alles mit. Sein Herrchen hatte er dazu

erzogen ihn für den König zu halten. Sie fütterten ihn immer mit frischer Nahrung und stellten die

Möbel nicht um, um ihn ja nicht zu verwirren. So waren sie in ihrer eigenen Wohnung wie gelähmt.“

Wegen starken Windes sprang eine Autoalarmsirene an, wodurch Dee wieder in die Wirklichkeit

zurückkehrte. Den Fernseher stellte sie lauter, ging ins Badezimmer und entkleidete sich. Doch plötzlich

klingelte es. In dem Chenille-Bademantel ihrer Tochter lief sie zur Eingangstür.

„Wer ist da?“

„Dee Griess?“, war die Reaktion eines Mannes.

„Ja, ich bin’s.“ Sie schloss auf.

„Dee Griess, endlich hab’ ich dich gefunden. Das war wirklich verdammt schwer.“

Sie lugte durch einen Spalt. „William Bush“. Dee öffnete die Tür. „Was machst du denn hier?“ Sie

sprang ihm in die Arme.

„Na, Fräulein Debby.“ Er fasste ihre Schultern und blickte ihr in die Augen. „Was ist denn bloss

mit eurem Haus geschehen? Es sieht ja aus, als ob eine Bombe eingeschlagen wäre.“

„Cal, komm herein!“

„Oh, Tex!“ sie umarmte ihn. „Es ist so furchtbar.“

„Aber wirklich.“ Mit seinen grossen Farmerhänden rieb er ihr den Rücken.


„Oh, Tex!“ Sie schaute ihn lange an. „Ich habe es in Brand gesetzt und muss deshalb bei meiner

Tochter wohnen. Sieh mich an!“ Sie glättete ihr Haar über der Stirn. „Du erlebst mich in jämmerlicher

Verfassung. Warum hast du dich nicht angekündigt?“ Sie stiess sich von seiner Brust ab und ergriff

seine Hände.

„Elender, elender Sünder, fahr hoch zum Kalvarienberg in der Waschmaschine des Retters!“

Prediger Dans Stimme tönte im Hintergrund. „Und nun sprechen unsere Sponsoren.“

„Komm rein und nimm Platz!“, piepste Dee wie ein Schulmädchen und zeigte auf den aufblasbaren

Loungestuhl. „Darf ich dir Kaffee anbieten?“ Der bekannte Werbeton von Realife war zu hören.

Dee erinnerte sich, dass die Fernbedienung sich in der Moo-Moo-Jacke befand und holte sie aus dem

Badezimmer.

„Du nimmst Sahne, wie ich weiss.“ Dee kicherte und schaltete leise, als sie wieder das Wohnzimmer

betrat auf dem Weg zur Küche.

„Ja, stimmt. Wo soll ich den Kaffee trinken?“

„In der Küche. Komm bitte mit!“

„Dee, siehst du dir die E-Mails nicht an?“

„Ich hatte noch nicht die Zeit jemanden das System reparieren zu lassen. Ich wusste, dass du kommen

würdest, nur nicht wann.“

„Wie wär’s dich zum Kaffee einzuladen?“

„Ich muss mich noch zurechtmachen. Sieh mich an! Du hast mich im ungünstigsten Augenblick

erwischt.“

„Du hast natürliche Schönheit.“

„Na ja.“ Sie drehte sich divenhaft um und lehnte sich an die gekachelte Küchentheke. „Auch wir

Naturschönheiten müssen uns die Haare kämmen. Sag’ mal, Tex, wie hast du mich überhaupt

erreicht?“

„Reines Glück. Ich hatte jemanden in eurem Haus getroffen. Er besass sämtliche Adressen von

denen, die in Fresno Griess heissen. Ich dachte, ich sollte es riskieren, denn ich war sehr besorgt, dass

mein Fräulein verletzt sein könnte. Nun komm!“ Sehr charmant bedeutete er ihr sich ihm zu nähern.

„Sofort? Guck mal, was ich anhabe. In diesem Aufzug kann ich unmöglich auf die Strasse gehen.“

Etwas hektisch verbarg sie ihren Hals durch Schliessen des Bademantels.

Es ist gut. Wir kaufen dir was anzuziehen. Wie heisst dein bestes Warenhaus? Dort fahren wir

hin.“

„Godschalks. Aber meine Haare!“ Sie begann mit den Fingern durch das fest anliegende Haar zu

streichen um ihm etwas Fülle zu verleihen.

„Ich werde dich zum Frisörsalon im Hotel begleiten. Dort habe ich mir schon meinen Bart stutzen

lassen. Nun auf, Debby! Möchtest du nicht mal was Ungewöhnliches machen?“ Er ging zu ihr hin.

„Du hast mir oft berichtet, dass du dich ziemlich langweilst.“ Hinter ihr stehend legte er ihr eine Silberkette

mit einem Diamantenherzen daran um den Hals.

Debby berührte sie und war sprachlos, wollte sogleich in den Spiegel schauen: aber Cal-Tex küsste

sie auf den Mund und drückte sie fest an seine Brust. Er hob sie hoch und sie jauchzte. Ihre Augen

waren gerötet von aufsteigender Sinnenlust.

Mit den Worten „Zuerst machen wir dich schön.“ nahm er sie an die Hand.

Ihr als Viehhändler verkleideter Prinz hatte die letzte Karte in ihrem Patiencespiel ausgespielt.

Ohne viel zu überlegen und ganz benommen vor Glückseligkeit liess sie, nur bekleidet mit einem

Flauschfaserbademantel und Plüschpantoffeln, sich umfassen, auf den Rücksitz des Cadillacs drücken

und fortfahren ohne einen Blick zurück.






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