30. die strassen von excremento
30. die strassen von excremento
Der Unabhängigkeitstag war gerade vorbei, die Explosion von Flaschenraketen und anderen Knallkörpern
hatte das Leben gefühlsm.ssig und akustisch in eine Art Ausnahmezustand versetzt. Er griff
nach seinem Kissen um seinen Kopf zu bedecken und sich so vor dem Lärm vor seinem Schlafzimmerfenster
zu schützen. In der dunklen Kissenhöhle sann er über Schönes in den Strassen Sacramentos
nach oder wenigstens über etwas, das kühl, ruhig und gesund war; doch war jeder Häuserblock,
den er im Geiste erblickte, hässlich, zerschmelzend und fehl am Platz.
Sogar die Ulmen – vor einigen Monaten noch schön grün – waren jetzt braun und sahen krank
aus. Jeden Sommer fielen kleine Insekten mit braunroter Unterseite auf die riesigen Schatten, die
die Strassen der Stadtmitte beherrschten. Diese Käfer der holländischen Rüster gebärdeten sich
aggressiv und als wahre Vielfrasse. Jedes Jahr spritzten in weisse Overalls gekleidete Gemeindearbeiter
mit orangefarbenen Hüten in den nachts starke Chemikalien in die Stämme der erkrankten
Bäume.
Macht nicht so viel aus, dachte Denver und zog an seinem halbsteifen Glied. In den nächsten
beiden Wochen werde ich nicht einfache Nachbarschaftsbotengänge durchführen können, ohne
Tausende der kleinen knirschenden Käfer zu zertreten. Bald werden die Gehwege bedeckt sein mit
den getrockneten Exkrementen, die den unverwechselbaren Verwesungsgestank im sommerlichen
Sacramento erzeugen.
Er richtete sich im Bett auf, nahm einen letzten Schluck Kaffee und gab sich seiner Lieblingsbeschäftigung
hin: dem Nachdenken. Das Tagebuchschreiben stellte er ein, blieb aber so lange wie
möglich liegen, bevor er zur Arbeit ging.
Er zog den Schlafzimmervorhang auf und ein Lichtstrahl gelangte zur anderen Seite des Raums,
so dass alles schmutzig aussah. Ihn faszinierten die winzigen Staubteilchen, die im Licht sichtbar
wurden. Träge schwebten sie auf dem Luftzug und legten sich langsam auf die erste fettige Oberfläche,
mit der sie in Kontakt gerieten. Hypnotisiert durch das Naturphänomen vor seinen Augen driftete
er hinüber in die schöpferischen Annalen seines Geistes.
„Lass es klingeln! Lass es klingeln! Ding-a-ling, a-ling, a-ling“, sang er leise. „Die USA langweilen
mich und ich langweile mich über mich selbst. Was soll ich tun? Niemand liebt mich. Wie soll ich’s
bloss schaffen? Ich bin ein Rad und drehe mich ständig im Kreise. Ich leide an P.D.S.“
Ein weiteres Krachen katapultierte Denver aus dem Bluesgesang und er bemerkte, wie er auf die
Fruchtfliegen starrte, die die Schlafzimmerlampe umkreisten.
Ein Blick aus dem Fenster: blauer Himmel wie gewöhnlich, wolkenlos. Der Himmel ü sah aus, als
ob jemand zum Scherz ein Stück Farbpapier über die Stadt geklebt hatte. Das freundliche Blau im
Kontrast zu den schweisstriefenden Gesichtern und der Aluminiumverkleidung der Dächer liessen
in Denver die Erinnerung an frühere schlimme Sommer wieder aufleben und vermittelten ihm eine
Ahnung davon, dass er in den kommenden Monaten eine brütende Hitze erleben würde.
Dann dachte er nach über seine bevorstehende Ausstellung in der Benjamin-Levy-Galerie. Wahrscheinlich
würde er eine Installation zeigen zu dem Thema Gelb oder seine Wohnung präsentieren
um seinen künstlerischen Lebensstil darzustellen. Er hielt die Zeit für gekommen in seiner Stadt eine
neue Sensibilität zu entwickeln. Die Bewohner schienen eher interessiert an dem Zusammenspiel
der Farben ihrer Teppichböden und Tapeten als daran einheimische Künstler zu unterstützen und
das Risiko einzugehen, von ihren Freunden wegen gewagter Kunstkäufe belächelt zu werden. Ausserdem,
glaubte Denver, waren sie viel mehr damit beschäftigt, in ihren Autos der Marke Hummer zur
Mall zu fahren oder in ihren neuen Schnellboten die Flüsse hinauf und herunter zu jagen, als örtliche
Kunst zu fördern. Was für eine soziale Einstellung?
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Denver zuckte im Bett zusammen, als weiter Sprengstoff gezündet wurde. Heute keine Ruhe für
die Bösen, dachte er und atmete schwer. Der morbide süsse Duft, der dem blühenden Gardenienbusch
im Garten entströmte, füllte sein Zimmer und liess ihn an das teure Parfum seiner Chefin bei
Power denken, und eine sehr unangenehme Aversion gegen seine nutzlose Beschäftigung überkam
ihn. Rechnungen muss ich begleichen und Kunstmaterial muss ich kaufen, habe meine Pflicht gegenüber
der Gesellschaft zu erfüllen, dachte er, wie er jede Woche seine Beschäftigung rechtfertigte. Er
blickte hinüber zu seiner orangefarbenen, ballförmigen Timex-Uhr. Sie zeigte 16.53. Die Ziffern waren
falsch gestellt. Er schätzte, es sei 11.39. Noch 41 Minuten hatte er zur Verfügung, die Toilette zu benutzen,
ein Bad zu nehmen, sich anzuziehen, etwas zu sich zu nehmen und um 13 Uhr mit der zweiten
Schicht die Arbeit zu beginnen. Das Tagebuch legte er zwischen eine Lampe und eine Dose mit
Erotikutensilien auf die Metallmilchkästen, die als Nachttisch dienten, und verliess das Bett.
Er schlüpfte in seine Alltagskleidung, die neben dem Bett auf dem Boden lag: eine Art T-Shirt, der
Text von Peach ins Deutsche übersetzt, und eine Jeanshose. Als er sich durch seine unordentliche
Zweizimmerwohnung mit Murphy-Ausziehbett zum Badezimmer bewegte, fiel ihm der Traum wieder
ein, den er kurz vor dem Erwachen geträumt hatte. Nachdem er am Badezimmerausguss gepinkelt
und dann seine Zähne geputzt hatte, kamen ihm Teile des seltsamen Traums zu Bewusstsein.
Sein Vater hatte ihn zum Bahnhof gebracht und er hatte sich schon verabschiedet und war eingestiegen.
Gerade als der Zug den Bahnhof verliess, fiel ihm ein, dass er seinem Vater noch etwas Wichtiges
hatte sagen wollen. Kurz vor dem Aufwachen überlegte er verzweifelt, ob er abspringen und zu
seinem Vater laufen sollte oder im Zug bei seinem Gepäck bleiben.
Er spuckte rosaroten Schaum, spülte den Mund und spritzte kaltes Wasser über das Gesicht gegen
die dunklen Augenringe, die sich wegen der Anstrengung seinen Lebensunterhalt zu bestreiten und
in kreativer Höchstform zu bleiben, zu bilden begannen.
Vor der Wohnungstür winkte er July zu, die wie üblich Gartenarbeit verrichtete, und schloss sein
am Verandageländer abgestelltes Fahrrad auf. Denver hatte bei zahlreichen antikonstruktivistischen,
neoerroristischen Performance-Aktionen seinen Führerschein als das stärkste Symbol für die Verwüstung
der Erde durch den Menschen zerstört. Das war eine für die Zeit ungewöhnliche Handlung.
Ihm war klar, dass das Auto die zerstörerische Kraft hinter dem Umweltkollaps darsellte. Der ignorante
Mensch glaubte an ein Konzept notwendiger Übel und weigerte sich den Zusammenhang zwischen
seinem Penissymbol und der Mutter Erde zu verstehen. Er pinkelte weiter auf sie mit ätzenden
Konsequenzen. Denver zog es vor gefahren zu werden.
Als kämpfender Künstler lernte er das Praktische zu schätzen. Die Leidenschaft des Radfahrens erfüllte
seinen Wunsch nach Beförderung und körperlicher Anstrengung. Der zusätzlich in das Gehirn
gelangende Sauerstoff regte ihn an, sich die Folgen der Segnung durch den Lotteriegott vorzustellen
oder sich Kunstprojekte auszudenken, die er gern durchführen würde.
Er fuhr eine Gasse entlang und sah einen Penner Müllcontainer durchstöbern. Er schafft es, dachte
Denver, neidisch, dass sie etwas Besonderes finden würden. Er nickte beim Vorbeifahren.
„Da gibt’s bestimmt ’ne Menge hässlichen Abfall“, murmelte er vor sich hin, als er an einer umgestürzten
metallenen Abfalltonne und randvollen Müllcontainern vorbeikam. Da gab es Unmengen
tropfender schwarzer Hefty-Plastikabfalltüten, die Myriaden von Fliegen umschwirrten. Da stand ein
entnadelter Weihnachtsbaum in einer Ecke nahe einem Zaun mit einer fast verrotteten Windel auf
der Spitze, und viele Zigarettenkippen lagen herum.
Denver verfügte über einen sechsten Sinn, wenn es darum ging, in all dem Schmutz Juwelen zu
finden. Oft fühlte er sich zu bestimmten Stellen hingezogen, die Fülle verhiessen oder wenigstens
etwas zur Wiederverwertung und zum Gebrauch für seine künstlerische Arbeit.
Er erblickte eine Barbiepuppe mit nur einem Bein und verbranntem Haar, die mitten auf der Fahrbahn
liegend drohte überfahren zu werden. Er überfuhr sie tatsächlich mit seinen heissen Reifen.
Einige Meter weiter bremste er, stieg vom Rad, lief zurück und hob die entstellte Platikikone der
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Schönheit auf. Mit Gummibändern, die für solche Gelegenheiten an der Lenkstange hingen, befestigte
er sie an seinem vorderen Kotflügel.
Er radelte noch an einem abgestellten mit Pseudoschottenstoff gepolsterten Sofa vorbei, das als
Übernachtungsplatz für Tramps diente. Noch in der Nacht vorher musste sie benutzt worden sein,
da leere Bohnenkonservendosen und eine leere Flasche billigen Fusels herum lagen.
Denver bemerkte einen riesigen Hundekothaufen an der Ecke eines Fernsehers und wunderte
sich über die Logistik des erfolgten Vorgangs. Wie der Hund sich wohl hingehockt haben musste, um
seine Exkremente so unsicher abzulagern? Ein Schar geheimnisvoller, rot und schwarz gemusterter,
dreieckig geformter Käfer kroch langsam durch das Unkraut, das sich in den Spalten des Betons angesiedelt
hatte, und erklomm den Apparat.
Er fuhr vorbei an einem Block zweistöckiger Wohnhäuser, die wie Schuhschachteln auf eisernen
Zahnstochern aussahen und darunter Parkplätze boten. Kurz hielt er inne und erinnerte sich an einen
LSD-Trip, bei dem er die einfache Konstruktion und die schlichte architektonische Struktur genau
der gleichen Wohngebäude bewundert hatte. „Was habe ich gerade gedacht?“, fragte er laut und setzte
seinen Weg fort.
Der betörende Duft blühender Glyzinien schwebte in der Luft, als er Power Records an der 16. und
17. Strasse erreichte. Sein Fahrrad schloss er an das Blumenspalier vor dem Gebäude an, wobei ihm
bewusst war, dass, falls seine Chefin ihn sehen würde, sie ihn wegen der Nichtnutzung des Fahrradständers
im Hof rügen würde.
Er pfiff die Erkennungsmelodie der Jetson Comics, als er das Haus betrat, gerade rechtzeitig um
noch mitzuerleben, wie Jeanie, seine Vorgesetzte, eine Kollegin ausschimpfte. Die Vorwürfe konnte
er beim Vorbeilaufen vernehmen, und er wusste, dass die sensible Angestellte sogleich in Tränen ausbrechen
würde.
Denver bemerkte die Spannung, lächelte den anderen Angestellten zu, die zwischen den Schallplattenregalen
zuhörten und ging in den hinteren Lagerraum, der sich zur Beschäftigtenlounge erweiterte.
Jeanie war eine böse Sklaventreiberin. Sie sah ihn niemals direkt an, wenn sie mit ihm
sprach, ausser wenn sie Aufträge erteilte und an seinem Kleidungsstil herumnörgelte, wobei sie ständig
nach Flecken, Löchern oder anderen Unvollkommenheiten suchte.
Sein Hass auf sie erstickte ihn förmlich und liess ihn hyperventilieren. Er konnte sich nicht vorstellen,
wie sie jemanden lieben oder von jemandem geliebt werden konnte. Was für eine verrückte
Hexe, dachte er und stempelte seine Stechkarte für den Arbeitsbeginn. Sie hat keine Muschi, aber
wahrscheinlich den grössten Schwanz der Welt und wird jeden damit schlagen, der so blöd ist sich
ihr zu nähern. Sie ist ein schrecklicher Tyrann, der seinen sexuellen Frust an hoffnungslos normalen,
aktiven Fickern wie mich auslässt. Seine Gedanken trösteten ihn.
Warum bin ich hier? Was mache ich hier?, fragte er sich auf die Stechuhr gestützt. Ich gehöre nicht
in dieses elende Milieu. Die Jeanies dieser Welt sind hirnlose Idioten. Ich habe es nicht verdient, wie
eine wertlose Amöbe behandelt zu werden. Zwanzig Stunden in der Woche fast schon ein Jahr lang
und wozu?
Seine Gedanken glitten zu seinem Kollegen Will Buck hinüber, den er ablösen sollte. Was für ihn
als Sommerjob nach der Rückkehr aus dem Krieg begonnen hatte, war schliesslich eine Karriere ohne
Perspektive geworden. Will Buck war stecken geblieben, denn er hatte immer das gleiche zu tun, tagein,
tagaus die Räder der Popkultur den geistlosen Massen gehirngewaschener Konsumenten zu verkaufen.
Er war ein typischer sonnengebräunter, kahl werdender Mensch mittleren Alters, der nach grossen
Schwierigkeiten ein bequemes Leben erreicht hatte, In der Militärdienstzeit hatte er durch einen Unfall
mit einer Handgranate zwei Finger verloren. Mit einer Abfindung entlassen gelangte er schliesslich
nach Sacramento und erhielt eine Beschäftigung bei Power Records. Wie alle, die zur Boheme im Zentrum
Sacramentos gehören, zugeben werden, war es eine leichte, jedoch erniedrigende Arbeit.
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„Hier bin ich wieder“, sagte er und stiess die Tür auf um den Hinterraum zu verlassen. Er nickte
Dean zu, der CDs einsortierte, „Hallo, Denver, wie geht’s?“
„O.K.“ Er wagte es nicht Dean das gleiche zu fragen, der wahrscheinlich einen Morgenfick hinter
sich hatte und sich prima fühlte.
„Du trägst immer noch das T-Shirt?“
„Es ist die deutsche Kopie.“
„Wirklich? In wie viele Sprachen hast du es übersetzt?“
„Fünf: Französisch, Deutsch, Russisch, Spanisch und Mandarin. Ich habe sie verkauft.“
„Du bist immer noch nicht fertig damit.“
„Wenn du mir eine Chance gibst ausserhalb der Arbeitsstelle zu kommunizieren, können wir uns
vielleicht versöhnen. Lass uns irgendwo mit Peach spazieren gehen.“
„Ich bin dein Problem. Meinst du, dass das normal ist, wie wir miteinander umgehen?“ Denver
sah plötzlich seine Schichtaufseherin Stephanie und nutzte die günstige Gelegenheit das schwachsinnige
Gespräch zu beenden. „Denke einen Augenblick darüber nach!“, sagte er und ging.
Er rief ihren Namen und winkte ihr freundlich zu. Sie nickte nur und wandte sich ab ohne auch nur
zu lächeln. Es war eine kleine neoerroristische Aktion. Denver vermochte seine Vorgesetzte mit der
gleichen Art von Teamgeist zu reizen, die sie und Jeanie in den monatlichen Arbeitsseminaren propagierten.
Aber er war sich sicher, dass eines nicht allzu fernen Tages Jeanie Stephanie als Lesbierin
outen würde; und das würde ihr gut tun.
Lesbierin ist kein unanständiges Wort. Wie kann sie es dann als ein solches verwenden?, überlegte
Denver.
Stephanie Savage gibt Homosexualität eine negative Bedeutung. Sehr frustriert und unfähig zu
ihrer sexuellen Identität zu stehen aus Furcht vor gesellschaftlicher moralischer Entrüstung, hat sich
als Reaktion eine kranke Psyche entwickelt, die die Ursache für ihren Zorn bildet und ihre allgegenwärtigen
negativen Eigenschaften. Sie gestaltet ihr Leben gemäss den Prinzipien ihrer Unterdrücker
um integriert zu werden und zu beweisen, dass sie zu ihnen gehört. Leider gelingt dies nicht und
verursacht mehr Frustration als Akzeptanz.
Der einzige Unterschied ist ihre Neigung zu Muschis, sagte sich Denver. Anstatt ihr Anderssein
positiv zu sehen, tickt sie nicht mehr ganz richtig und ist voller Wut auf die Menschheit. Nun, ich
kann sie nicht mal Lesbierin nennen, und verdammt, sie ist es doch!
Einst Marinesoldatin hatte sich Stephanie die Hierarchie der örtlichen Schallplattenindustrie
empor gekämpft, und Denver hatte schon früh die Taktik gelernt sich möglichst nicht ihren Attacken
auszusetzen. Oft versuchte er das Thema Arbeitsklima zum Anlass einer Unterhaltung zu nehmen,
denn Stephanie verfügte über eine krächzende Stimme bei der Erteilung von Aufträgen. Das war
etwas, das sie am besten konnte. Sogar das ‚Hallo!‘ hörte sich wie ein Befehl, wenn es aus ihrem dünnlippigen
Mund erklang.
Denver ging zu seinem Arbeitsplatz um Will Buck abzulösen. Dann gliederte er sich in den Arbeitsprozess
ein. Vor seiner 15-Minuten-Pause half er an der Kasse aus, beantwortete Fragen zur Musik
und hielt nach Ladendieben Ausschau.
„Denver!“ Er drehte sich um, von der Lautstärke, mit der sein Name gerufen wurde, erschrocken.
„Ich habe deine Ausstellung in der End-Art-Galerie gesehen. Was du machst, gefällt mir nicht und
ich verstehe es auch nicht“, sagte sie rundheraus.
„Stephanie!“ Er zögerte und seufzte:„Jedem seine Meinung.“
„Meine Cousine ist besser als du, und sie ist erst in der Vorschule“, sprach sie schnippisch.
„Gut.“ Er atmete tief und lächelte gequält. „Dann sag ihr, sie soll damit Geld verdienen. Sie hat Talent.“
„Wozu soll es gut sein?“, bellte Stephanie.
„Sieh mal, nur weil du es nicht verstehst, bedeutet es noch lange nicht, dass es das nicht geben
darf.“
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„Wer kauft denn überhaupt solchen Mist?“, verkündete sie.
Denver ranzte sie mit all der Wut eines Schrottplatzhundes an: „O.K., Lesbierin! Dein Heruntermachen
reicht mir. Du bist eine abgefuckte Hexe. Ich habe die Nase voll von deinen diskriminierenden
Äusserungen.“ Er deutete mit einem Zeigefinger auf sie. „Sieh mal, Freundin …“
„Ich bin nicht deine Freundin“, zischte sie.
„Oh doch, das bist du. Selbst wenn es mir auch schwerfällt, es zuzugeben, aber wir kommen doch
alle aus der gleichen explodierenden Muschi. Das ist so angelegt in unseren Genen.“ Er stemmte seine
Hände in die Hosentaschen. „Wir sollen auf der gleichen Seite sein und den Feind bekämpfen. Nur du
hast ihn ins Herz geschlossen.“
„Ich weiss nicht, wovon du redest.“
„Es hat lange gedauert, bis ich deine Welt verstanden habe. Du versuchst nicht einmal, meine Welt
zu verstehen.“
„Mit euch Pennertypen habe ich keine Gene gemeinsam.“ Ihr Gesichtsausdruck hätte das Blut
eines Leguans gefrieren lassen können.
„Was, du nennst mich Penner? Wenn ich auch keine Wohnung habe – na und? Wir obdachlosen
Künstler machen alles selbst. Wir halten uns Gärten und sehen die Pflanzen wachsen. Leider machen
Leute wie du den Rasen platt und hindern unsere Gärten daran zu wachsen und nennen sie subversiv.
Weshalb kannst du nicht akzeptieren, dass nicht alle an den Californian Dream glauben? Nicht
jeder Mensch ist zum halsabschneiderischen Kapitalisten geschaffen. Einige geben sich dem Heroin
hin, andere leben in Reservaten, einige leben in Kisten. Ich bin kreativ.“
„Nicht mit meinem Geld. Ich zahle Steuern.“
„Sieh mal, Hexe!“ Ich habe es den Versuch aufgegeben euch Motherfucker mit eurer Sacramento
Business School und eurem Militärtraining von der Anmut und Würde der Kunst zu überzeugen.“
Denver paffte die Worte heraus und wedelte mit den Händen.“ Es ist aus unserer Spezies hervorgegangen.
Ich als Glücklicher habe mich der Anmut verschrieben, werde aber gequält von Dummköpfen
um mich herum wie du. Ich bin es leid meine Muschi auf dem Bürgersteig heraushängen zu lassen
und zu versuchen, dass die Leute fünf Dollar zahlen um sie lecken zu können, damit ich meine
Miete begleichen kann.“
Ihr obdachlosen Künstlertypen solltet alle zusammengetrieben und erschossen werden.“ Beim
letzten Wort machte sie kehrt und ging, um einen anderen Angestellten zurechtzuweisen.
„Heil Peace, Miss SS!“, schrie Denver hinterher und streckte seinen rechten Arm hoch.
„Verzeihung, können Sie mir sagen, wo ich den neuen Song finde?“, fragte ein Kunde und fing
an zu singen: „Want to be a butterfly, flying free at the zoo. I want to fly, fly away and get away, ’way
from you.”
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