40. besichtigungsfahrt mit (m) icky (h)ill
40. besichtigungsfahrt mit (m) icky (h)ill
„He, Sie!“
Icky Ill, der die Namensänderung akzeptiert hatte, um nicht länger mit irgend einer lebenden oder
verstorbenen Person identifiziert zu werden, drehte sich um und erblickte einen vornehmen weisshaarigen
Mann mittleren Alters im Neonlicht einer Bushaltestelle stehen und deutete auf sich.
„Ja, Sie, treten Sie bitte näher!“, sagte der Mann. „Ich habe etwas für Sie.“
Icky Ill, Antikonstruktivist, Neoerrorist und A.K.N.E.-Künstler, lebte in den Tag hinein, war stets
bereit das Beste aus dem Augenblick zu machen und hegte grosse Pläne für die Zukunft. Er zögerte,
bevor er das ‚B. and B.‘ betrat und schaute den Mann an.
Er sieht ja nicht furchterregend aus, sondern vielmehr eher Vertrauen erweckend. Dem äusseren
Anschein nach könnte er auf einer der drei Militärbasen nahe Sacramento tätig sein. Möchte mal wissen,
worin sein Trick besteht. Ich habe einige Minuten Zeit. Mit ihm ins Gespräch zu kommen, dürfte
eigentlich nicht schwer fallen.
Nachdem er sich überzeugt hatte, kam Icky näher und wurde von dem Fremden in Augenschein
genommen. Er sagte kein Wort, lächelte und blickte auch ihm in die Augen und blieb ruhig stehen,
als er ganz nah an ihn herantrat und seine Ohrläppchen berührte. Er liebkoste sie mit seinen Daumen
und Zeigefingern bei geschlossenen Augen und geneigtem Kopf. Er verharrte schweigend, als ob
er die Ohrläppchen untersuchte und sich auf Ickys Gedanken einstimmte.
Icky war überw.ltigt von einem Gefühl des Vertrauens, so dass auch er die Augen schloss und dem
Mann gestattete weiter zu forschen. Doch plötzlich entwand er sich aus der Umklammerung und trat
einen Schritt zurück, denn ein stechender Schmerz hatte sein rechtes Ohrläppchen durchdrungen
mit Ausstrahlung bis zum Hals und zum Rücken. Er schüttelte seine Schultern und seinen Kopf und
rieb sich an dem Ohrläppchen um das Gleichgewicht wieder zu erlangen.
„Sie sollten mehr Karotten essen!“, sagte der Mann und steckte seine Hände in die Hosentaschen.
„Warum haben Sie das gemacht? Es hat wehgetan. Warum?“, fragte Icky und rieb sich immer noch
am Ohr. „Was haben Sie da an Ihrem rechten Daumen?“
„Sie sind aus dem Gleichgewicht geraten. Nehmen Sie mehr Karotten zu sich!“
„Wie kommen Sie darauf? Ich meine, wie viele soll ich denn essen?“
Der alte Mann lächelte, drehte sich um, trat einen Schritt zurück und schaute über die hell erleuchtete
Strasse zum Capitol Building hinüber. Er zögerte kurz, hob langsam seinen linken Arm und
zeigte hinauf zum nebelverhangenen Nachthimmel. Die Augen fest geschlossen, atmete er tief durch
und verkündete: „Es gibt dort sehr viel Energie.“ Dann schlug er die Augen auf und blickte über seinen
ausgestreckten Arm hinweg in die Weite.
Icky folgte mit den Augen den Weg über Kaliforniens Parlament hinaus in den grauen, sternlosen
Himmel führte. Und lächelte.
„Fühlen Sie es?“
Icky lächelte weiter und nickte langsam.
„Die Ausserirdischen besuchen den Planeten. Ich kann die ungeheure Menge Energie spüren, Sie
auch?“
Icky kam mental ins Stolpern. Er hatte oft mit den Methoden gespielt, die von Obdachlosen ersonnen
worden waren um Taschengeld zu erwerben, aber noch nie jemanden wie diesen Typ kennen
gelernt.
Huh-huh! Ich fühle etwas“, murmelte Icky. „ Was passiert, lieber Mann, wenn ich fragen darf?”
Seine Worte wählte er sorgfältig um die Konzentration des Mannes nicht zu stören.
Als der weiter den Himmel absuchte und nach der Energie spürte, machte Icky sich Gedanken, wer
der Mann wohl sein könnte, denn er kam ihm irgendwie bekannt vor, aber das traf ja auf jeden zweiten
Stadtbewohner zu. Dies war etwas ganz Neues. Nicht einmal in der Boulevardpresse hatte er über
so jemanden etwas gelesen. Weiterhin musterte er ihn intensiv um das Geheimnis zu lösen.
„Ich kann mit Ausserirdischen sprechen.“
„Wirklich? Ist ja phantastisch!“
„Ich verfüge über den Code, habe ihn schliesslich herausbekommen. Dachte erst, es wäre kompliziert,
war aber ganz einfach. Sehen Sie mal!“ Der Mann holte eine Packung Lucky Studs aus seiner
Brusttasche.
Im Glauben eine Zigarette angeboten zu bekommen, griff Icky nach dem Päckchen.
„Dies ist das Gerät für die Kommunikation. Wenn’s dort oben viel Energie gibt, kann ich mit ihnen
in Verbindung in Verbindung treten.“ Er hielt die Schachtel an ein Ohr und blickte in den Himmel.
Icky schaute sich um. Rechts befand sich das ‚Sutter Hospital‘, links das um das Einkaufszentrum
‚Sutter Villa Plaza‘, das um ein Viadukt der Autobahn I-80 herum gebaut worden war. Er sah über die
Strasse auf das kaum sichtbare ‚Sutter’s Fort‘. Nebelschwaden stiegen auf, und er blickte sich um, ob
er beobachtet wurde.
Der Mann wiederholte seinen Gruss: „Hallo, hallo“ und steckte das Gerät wieder ein. Er kramte
in einer Hosentasche, holte ein Stück geflochtener Schnur hervor und zeigte es Icky mit den Worten:
„Bist du Links- oder Rechtshänder?“
„Linkshänder.“
„Reichen Sie mir mal Ihr linkes Handgelenk!“ Der Mann legte die Schnur um das Gelenk und
machte einen dreifachen Knoten. „Damit werden Sie einen Ihren Rhythmus finden. Nehmen Sie es
wahr, wo sie sind, wenn sie es auf Ihren Körper bemerken. Er steckte einen Zeigefinger unter den
Knoten und zog an Ickys Arm. „Sie haben viel Energie, aber die ist nicht zielgerichtet. Sie verlieren vieles.
Ihre Möglichkeiten sind unbegrenzt, aber Sie beschränken sich darauf alles an sich herankommen
zu lassen.“
„Ja, sind Sie denn nicht genauso?“, fragte Icky und wackelte mit dem Handgelenk – „Es kommt
mir so vor, als ob ich gegen eine Backsteinwand renne. Mit dem Strom zu schwimmen bedeutet sich
stromabwärts zu bewegen. Ausserdem will ich meine Möglichkeiten nicht erforschen, wenn doch,
würde ich nämlich im Knast landen.“ Icky liess den Arm zu Seite sinken. „Wie soll ich mich sonst
fühlen?“
„Bevor Sie’s verstehen und das benutzen können, was ich Ihnen geben werde,“ er griff in seine
Jackentasche und holte ein gelbes, zum Dreieck gefaltetes Stück Papier hervor, „müssen Sie Ihren
eigenen Rhythmus finden. Hier nehmen Sie dies!“ Er reichte Icky das Stück Papier.
Icky zeigte auf sich.
„Ja, Sie.“
Dann nahm Icky und entaltete es sofort und las die handschriftliche Mitteilung.„Dies ist der Code
für das Gespräch mit den Aliens.“, sage der Mann und zeigte auf die Buchstaben.
„E.G.Y. P.T.“, las Icky laut. „Ist das der Code?“ Er schüttete das Stück Papier.
„Krass, Mann.“
Der Mann lächelte und nickte, „Hab’ Ihnen ja gesagt, es ist so einfach. ‚Egypt‘ gibt Ihnen den dritten
Blick. Deshalb heisst der Code so.“
Icky las ihn nochmals und blickte den Mann fragend an. Der las Ickys Gedanken, zeigte auf jeden
Buchstaben und buchstabierte das Wort ‚E.G.Y. P.T.‘ „Der Buchstabe E steht für Egypt, G für ‚Gives‘,
Y für ‚You‘, P für ‚Plenty‘, T für ‚Time‘ und so weiter.
„Ja?“ Icky reichte die Erklärung noch nicht aus.
„Nehmen Sie das T in ‚Egypt‘, das S in ‚Gives‘, das U in ‚You‘, das Y in ‚Plenty‘ und Sie bekommen
‚To See Under Your Eye‘.“
„Jetzt ist’s klar“, log Icky. Er hatte es nur fast verstanden. Er hätte noch etwas mehr nachdenken sollen,
den Code verwenden sollen um dessen Wirksamkeit zu beweisen. „He, danke, kann ich Ihnen
etwas für den Code geben?“ Er hollte seinen Notdollar aus einer Jeanstasche, einen Dollarschein mit
seinem Namen und Denvers Telefonnummer. Er verwendete ihn sonst nie, sondern eben nur in solchen
Situationen oder falls er umfallen sollte und jemand angerufen werden musste.
„Der Mann schüttelte den Kopf. „Nein, ich habe Sie beobachtet. Sie scheinen empfangsbereit zu
sein.“
„Sie haben mich beobachtet? Wissen Sie eigentlich, dass sie mir nicht unbekannt vorkommen?“
„Ich hab’ den Eindruck, dass Sie ihn irgendwann mal nutzen könnten. Rauchen Sie?“
Icky nickte.
„Nehmen Sie das!“, sagte er und gab ihm seine Schachtel Lucky Studs. „L. S.M.F.T. das habe ich
schon mal irgendwo gehört. Was bedeutet das?“
„Lucky Studs Makes Fine Tobacco. On Earth’s Spaceship Save Yourself.”
„Auf dem Raumschiff Erde … Was?”
„Sie werden’s herausfinden. Gleiches Prinzip. Sie werden nach einiger Zeit genau so denken.“
„Krass, Mann. Danke vielmals. Icky wollte ihm die Hand reichen, wusste aber nicht genau, wie er
sich verhalten sollte, als der Mann ihm einen Daumen hinhielt. „Ich schätze es sehr, dass Sie mir den
Code mitgeteilt haben.“ Icky schüttelte ihm den Daumen.
„Sie werden gut leben, aber denken Sie an die Karotten!“
Icky griff sich sofort an ein Ohr und zog mehrmals ruckartig daran in Erinnerung an den erlittenen
Schmerz.
„Und vergessen Sie nicht: Wo immer Sie sind, erfahren Sie sich selbst!“
„Gut zu wissen.“ Icky liess den Mann an der Haltestelle unter einer absterbenden Ulm stehen.
Bevor er das ‚B and B‘ betrat, drehte er sich um und grüsste den Mann mit dem ausgestreckten linken
Arm und rief: Heil Peace!“
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