20. sally

 20. sally


Sally: Hallo, liebe Leute aus Sacramento. Willkommen in Sally’s Corner. Ich habe einige Einheimische

eingeladen um mit ihnen über ihr Alltagsleben im Tal des Sacramento zu sprechen.

Lasst mich zuerst nach euren Beschäftigungen fragen. Zuerst zu J. J.: Du bist im Schrotthandel

aufgewachsen.


J. J.: Nein, das stimmt nicht. Mein Vater verkaufte Gebrauchtwagen. Allerdings war er der Meinung,

dass man mit Schrott viel Geld verdienen könnte. Ich denke daran, wenn ich durch

das Haus gehe, und es ärgert mich.


René: Ich arbeitete in einem Kino, in dem wir nur Hollywoodschrott zeigten. Jetzt arbeite ich in

einem mit Alternativfilmen; aber es muss schliessen wegen kulturellen Desinteresses.

Davor war ich politisch tätig, musste aber aufhören, nachdem ich erkannt hatte, wer meine

wirklichen Feinde waren.


Kim: Ich fing an, mein Geld in die Erzeugung von Gentomaten zu stecken und landete schliesslich

im Satellitengeschäft. Siehst du da eine Parallele?


Don: Ich bin Mitglied der Moronenkirche. Sie sagt, wir sollen verantwortlich sein für die Zerstörung

der Zivilisation. Je schneller wir dahin gelangen, desto besser für alle. Deshalb wurde

ich selbstständiger Makler. Ich handle mit Immobilien.


Chad: Ich war Sozialarbeiter, verdiente aber zuwenig. Nun bin ich Gewerkschaftsmitglied und

arbeite vierzig Stunden in der Woche als LKW-Fahrer, auch um meine kranke Frau ernähren

zu können.


Sally: Warum hast du gestreikt und damit alle Tomaten verderben lassen?


Chad: Ganz recht. Beschuldige uns zuerst! Etwas Geld muss ja hereintröpfeln. Wir bringen nicht

Tomaten zur Konservierung, damit nur jemand in Chicago Profit macht.


Sheila: Ich bin künstlerisch tätig. Das Hereintropfen mochte ich nie. Vielmehr möchte ich, dass

verteilt wird. Das könnte für einige langweilig sein; aber es ist wenigstens gerecht. Ausserdem

müssen wir mit Mutter Natur sensibler umgehen. Sieh dir dieses Kleid an! Bei der

Herstellung wurden Unmengen Wasser gespart. Es ist völlig durch Wiederverwertung

entstanden. Ich habe es selbst geschneidert.


Don: Ich habe gar nichts gegen sensible Künstler, solange sie die Miete zahlen.


René: Hört euch das an! Herr Weltende persönlich? Ja, ich bin enttäuscht. Es ist sehr schwer von

einem geringen Lohn Miete zu zahlen. Ihr Typen seid wie Hitlers willfährige Helfer und

mir zutiefst unsympathisch.


Sally: Zurück zur Tomate. Nachtschatten? Oder nützliches Gemüse? Können wir überhaupt von

Gemüse sprechen?


William: Wenn man daran denkt, dass ich in den Krieg gezogen bin und zwei Finger verloren habe

wegen der Tomate. Das zeigt ihre Bedeutung.


Sheila: Na, du bist also wegen der Tomate in den Krieg gezogen?


William: Unter anderem.


Sheila: Ich esse jeden Tag eine und fühle mich seitdem besser als James Brown. Kennt eure Lebensmittel!

Und ich glaube, es ist eine Frucht.


Kim: Ich würde sagen: Kennt eure Grenzen! In dem Landwirtschaftsbetrieb wurde ich nicht sehr

geschätzt. Unsere Tomaten wurden sehr gut verkauft. Sie blieben drei Wochen auf den Geschäftsregalen

frisch; aber es dauerte nicht lange, bis die Bestäubung aufhörte und die

Schmetterlinge gestorben waren.


Sheila: Ihr habt Schmetterlinge umgebracht! Das ist genau die Art von Machismus, der in westlichen

Gesellschaften gerade durch verschiedene Frauenbewegungen zerstört wird. Die

Tomate wirkt wunderbar als eine Metapher für die Evolution.


René: Ich denke, eine Süsskartoffel wäre besser. Woher kommst du, Schwester, wenn ich dich so

nennen darf? Hier wird nichts zerstört. Sie sind gerade an neuem Spielzeug interessiert.

Passt nur auf! Sie ziehen immer irgendeinen Artikel der Verfassung heran, um an der Macht

zu bleiben.


Sally: Glaubt ihr, dass die Lkw-Fahrer eine Terrorhandlung verübten?


Kim: Terror bedeuten all die auf dem freien Handel lastenden Regeln und Vorschriften. Wir versuchen

zu erreichen, dass Waren und Dienstleistungen leichter auf die Nachfrage des Marktes

reagieren. Wir sollten unsere Fabriken entsprechend führen können. Wir benötigen

Gesetze gegen organisierte Arbeit.


Chad: Einen Hauptfaktor vergisst du dabei: die Menschen. Sie arbeiten in der Fabrik oder fahren

Lkws, und es mag dich überraschen, aber die meisten von uns haben auch noch ein Leben

ausserhalb des Arbeitsplatzes.


Kim: Typen wie dich kenne ich. Du bist entweder für uns oder gegen uns. Und ich bin nicht der

erste, der das sagt.


René: Moment mal! Die Übernahme der fürchterlichen Eigenschaften derer, die dich unterdrücken,

so dass du ohne Furcht die Strasse lang laufen kannst, ist, denke ich, Terror. Entschuldigung.


J. J.: Ich habe viermal in das Haus meines Vaters geschossen und versuchte so mich abzureagieren

in Opposition gegen Burger Queen, Megahard, Delta Reality und MTV. Ich fühlte

mich permanent terrorisiert. Was hätte ich sonst tun können? Es war Realitätsverweigerung.

Ich bin sehr wütend und finde mich nicht mehr damit ab.


Chad: Ich kann deine Wut verstehen.


Sally: Na gut. Zurück zur Tomate. Die Tomate als Metapher. Auf was für einem Planeten leben

wir, auf einem der Ernährung oder einem des Hungers?


Kim: Des Hungers. Deshalb entwickelt unser Unternehmen neue und bessere Gentomaten so

rasch wie möglich. Die Biokette ist zerbrochen. Wir können trotzdem etwas bewegen?


Chad: Offensichtlich ist’s ein Planet des Hungers. Alles, was wir tun können, ist für Nahrung zu

sorgen. Und jetzt müssen wir uns Sorgen machen um das Trinkwasser und die Luft, die wir

atmen. Alles ist teurer geworden, aber die Bedingungen bleiben dieselben.


Don: Menschen wie dich brauchen wir in unserer Kirche. Bist du schon mal angesprochen worden

von Männern in dunklen Anzügen auf Fahrrädern? Dies ist ein Planet des Hungers,

und ich versuche alles, damit es so bleibt.


René: Ich schätze deine Ehrlichkeit. Ein Hungerplanet. So ist es.


J. J.: Willst du wirklich meine Meinung hören? Ich glaube, beides trifft zu. Er gibt, und wir nehmen.

So ist es, denke ich, mit den meisten Dingen. Wahrscheinlich fühle ich mich deshalb

immer so schlecht.


Sheila: Solange ich atmen kann, ist es ein Planet der Ernährung. Die Menschen sollten nur das kaufen,

was der Jahreszeit entspricht, und zwar von ihrem heimischen Bauernmarkt. Ich verwerte

wieder. Daran sieht man: Ich bin Optimist.


Don: Mensch, du klingst wie ein liberaler Freak. Nichts wird besser, und unsere Kirche nimmt

das bitterernst. Deshalb horten wir. Wir warten auf die Begeisterung, genau wie diese Stadt

im Iran. Bam! Es wird geschehen. Dann werden wir alles übernehmen, denn wir werden

die überleben.


Kim: Was du sagst, gefällt mir. Einige Aspekte werde ich für die Politik übernehmen. Es ist immer

wichtig Marktinstabilität zu verhindern.


Chad: Ja, errichte eine neue Fassade, Aber das Innere ist verdorben.


Sally: Denken wir in der Werbepause darüber nach! Wenn wir wieder da sind, werde ich meine

Gäste fragen, ob sie meinen, dass positive Verstärkung durch Piepstöne an Supermarktkassen

uns zu glücklichen Konsumenten hat werden lassen.




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