06. zum heulen oder wie sich von seinem mann trennen

21. März, 11 Uhr vormittags. Schon heiss: 40°/20° Celsius. Sonnig. Wie immer blauer Himmel. Ich habe kein Geld, habe die Telefonrechnung bezahlt. Fühle mich einsam. Winterzeit. Zum ersten Mal Schnee in Perth. Erdrutsche in Süd-Kalifornien. Liebes Tagebuch, danke für dein Hiersein. Ich hoffe,ich beunruhige dich nicht, aber es ist mir in Zukunft egal. Ich bin geistig gelangweilt. Ich fühle mich einsam. Die Zeit schmerzt. Ich wachte mit Zahnschmerzen auf. Kaputt. 

Geniesse den Tag! Das sagt man so. Zeit für neue Gedanken. Täglich dasselbe. Ich werde mit dem Singledasein nur schlecht fertig. Das ist meine Schwäche. Ich würde sie gern überwinden, wenn’s nur leicht wäre. Aber es geht nicht. So ist’s eben. Der Zustand der Traurigkeit ist eine Tatsache, die nur von aussen zu ändern ist. Ich wäre wahnsinnig gern verliebt; aber alles positive Denken wird mich nicht in den Zustand versetzen.

Ich war im Paradies. Jetzt bin ich in der Hölle.


Ich bin in den letzten paar Tagen auf der Ranch gewesen. Micky kam vorbei, um ‚Guten Tag!‘ zu sagen und mir von seinen letzten Abenteuern zu erzählen. Sonst war ich sehr aktiv, so dass ich nicht an meine Tragödie denken musste. Es ist nicht leicht jemanden, den man liebte, zu vergessen; aber ich muss es versuchen. Und wenn’s mir gelingt, werde ich ihn nicht mehr lieben. Wohin mit der Liebe in der Zeit bis dahin? Mein Ich muss nicht gestützt werden. Ich liebe mich schon selbst genug. Oa, die Problämä mit oim stoarken Iich, oader iist’s moi uunteräntwiickeltös Ees?


Der Sex war toll. Sex, der bindet, dachte ich. Für ihn war’s nur eine Episode. Eine Episode! Ich kann nicht glauben, dass er das zu mir sagte und es auch so meinte. Sex ist nicht nur das Pünktchen auf dem ‚I‘‚ sondern das ‚I‘ selbst.


Vor kurzem habe ich mich gefragt, wie schwule Beziehungen bezeichnet werden sollen. Wenn das Einzige, das uns von ihnen trennt, unsere Sexualität ist, folgt daraus, dass wir schwule Sexualbeziehungen zu entwickeln haben, die anders sind als die der Heten. Warum also streben so viele Schwule nach Anpassung, schreien alle nach der Ehe. Ehe ist ihr Wort für rechtliche Bindung. Wenigstens einige von uns nennen sie, was sie wirklich ist: S und M.


Nein! Nein! Kein Sex vor der Ehe! Wirklich toll! Gähn!


O.K. Die Flitterwochen waren vorüber. Die Beziehung dauerte zwei Jahre. Ich versuchte sie solange wie möglich zu halten, aber schliesslich holte der Alltag sie ein. Wir konnten nicht viel weiter kommen. Dildos, Fisten, LSD, Marihuana, Alkohol, Spezial-K, Tina. Sex-Wochenenden. Macht meinen Schwanz hart, schon wenn ich daran denke, und ich habe unsere Beziehung zerstört, weil ich sie auf eine ganz neue Ebene heben wollte; ich wollte einen dritten Mann ins Spiel bringen. Peach wollte der Macho sein wie in einer Hetero-Ehe.


Ich konnte ihm nicht geben, was er wünschte. Er konnte mir nicht geben, was ich brauchte.

Es gab keine Kinder, die uns ablenkten, keine gemeinsame Zukunft, um uns anderem als der Gegenwart zuzuwenden. Ich sehnte mich nach geistiger Anregung. Er brauchte einen Mann für 24 Stunden. Ich benötigte meinen Freiraum, und klassische Musik passte nicht zu meinem Lebensstil. Er mochte meine verrückten Künstlerfreunde nicht, und ihn störte auch meine Leichtigkeit des Seins. Er kauft in Warenhäusern, ich mag Billigläden, Trödelmärkte und sogar Müllcontainer. Er kennt den Preis jeder Ware, die er kauft. Ich kenne die Stelle, an der ich etwas gefunden habe.


Ich empfinde es so, als ob er mir meine Seele entwendet und sie weggeworfen, in einen schmutzigen Fluss geworfen, sie von der Brücke der I-Street geschmissen hat. Ich musste sie mir vom Ufer des Sacramento zurückholen. Mein Herz hängt heraus mit blutenden Rinnsalen, Blut tropft auf den Boden; doch er geht einfach daran vorbei.


Eine Hand auf der Schulter. Ein mitfühlendes Nicken. Beides könnte mir nun helfen, denn ich befinde mich in einem Land des Untergangs oder des Überlebens. Ich bin so lange unter Wasser gewesen. Ich würde gern auftauchen und jemandem sagen, was ich getan habe. Um meine Seele zu beruhigen.


Ich kann nicht mit meiner Familie sprechen, obwohl ein gebrochenes Herz ein gemeinsamer Nenner wäre. Mutter ist in ihre kleine Welt verstrickt und spinnt sich je nach Bedarf heraus. Vater weiss nicht, wie es passierte, und wenn kein Dollarsymbol mit dem Wort ‚deins‘ verknüpft wird, ist es zwecklos mit ihm zu sprechen. Mir ist es unerklärlich, weshalb beide ihrer Lebenslüge weiter folgen. Bianca ist Vater im Kleid? Ich glaube, unsere Gene wurden verdreht, als wir gezeugt wurden. Micky versteht das nur bis zu gewissem Grade. Als Hetero verwirrt ihn das Sex-/Liebe-Phänomen, wenn ich

anfange mein Herz auszuschütten. Ich schätze, bei Heteros übersteigt das ihren Verstand, das Same- Sex-Konzept. Sie sehen nie, wie Männer sich küssen. Schon der Gedanke daran macht sie nervös. Kein Wunder, dass sie es niemals verstehen werden.


Der Himmel mag blau sein, aber über meinem Kopf hängt eine grosse schwarze Wolke. Nun gut, manchmal trage ich sie absichtlich mit mir herum, aber kürzlich hing sie dort ohne mein Zutun. O je! Das zeigt im Wesentlichen meine Stimmung. Resigniert. O je!

Ich bin die nutzlose Amöbe, die sich durchschlägt auf einer entsorgten Fussmatte am Boden eines Müllcontainers. Mensch, tiefer geht’s nicht mehr!!


Wenn ich Menschen grüsse und bevor sie auf mir herumtrampeln, frage ich sie, wie es ihnen geht. Wenn sie sagen ‚Gut‘, will ich von ihnen wissen, warum. Ich will wissen, was andere Menschen unter einem guten Leben verstehen. Fast niemand antwortet: ‚traurig‘ oder ‚deprimiert‘, und niemals sagen sie: ‚einsam‘. Wenn ich sage, dass ich einsam bin, geben mir die meisten die ‚Ach, armer Denver!‘-Antwort. Alles, was mir wirklich fehlt, ist Mitgefühl, eine Berührung, ein ‚Ich verstehe‘ oder eine Einladung zum Essen. Was ich am wenigsten brauche, ist allein gelassen zu werden.


Nicht so etwas wie das Gefühl in einem fremden Land zu leben, um sich einsam zu fühlen. Lass’ mich diesen Satz wiederholen: Ich fühle mich so, als ob ich in einem Land lebte, ohne mit jemandem sprechen zu können, weil niemand die Sprache der Traurigkeit versteht. Die Menschen sprechen gern über sich selbst, und wenn ich mal zu Wort komme, dann nur mit Fragen über ihr Leben, bevor sie das Interesse daran verlieren, mit mir zusammen zu sein.


Auf der Treppe meines baufälligen Appartementhauses weinend, habe ich mich mit dem Blues angefreundet und habe laut Zeile für Zeile gesungen, und das Merkwürdige ist, alles reimt sich auf ‚blue‘. Was werde ich tun? Wie komme ich da durch? „Oh poodle chew, I still love you.“ Ich habe Suizid ausgeschlossen, mein Körper hat ein erstaunliches Selbsterhaltungssystem, und stattdessen würde ich in einem Koma verbleiben nach einem misslungenen Versuch. Saugen heisst leben. Die Dummen behaupten, dass die Zeit alle Wunden heilt. Aber warum muss ich warten? Und wer hat denn überhaupt Zeit?


Ich möchte nicht die Lösungen der Menschen im Fall eines zerbrochenen Herzens hören. Ich hasse es, wenn Leute mir sagen, dass ich Glück habe, eine grosse Wohnung zu besitzen, noch jung zu sein, zwei grossartige Katzen und einen tollen Sessel zu besitzen. Heitern Menschen heute einander so auf? Suchen sie nach materiellem Liebesersatz? Amore-Shopping. (Das wäre doch ein grossartiger Name für eine Band!)


So wie jede Beziehung sich von der anderen unterscheidet, so unterschiedlich zerbrechen sie auch: das Abdriften, das Zerreissen oder der grosse Krach. Die beiden ersten Varianten habe ich erlebt. Die Knallvariante ist eine neue Erfahrung für mich. Die hat mich völlig überrascht und dass es so endgültig sein würde, zeigt die gefühlsm.ssige Unreife des Mannes, oder vielmehr des jugendlichen Peach. Wenn Menschen emotional ungebunden bleiben, ist es leicht ‚Was auch immer!‘ zu sagen und damit alles in Oberflächlichkeit zu verwandeln.


Denver setzte seinen Kuli ab und starrte unbewusst aus dem Fenster. Er begann gerade sein tägliches morgendliches Ritual, nämlich im Bett zu frühstücken, während er in seinem Tagebuch schrieb. Er tunkte einen Mini-Zuckerdonut in seinen gelben Kaffeebecher und steckte den feuchten Nahrungsschmaus in den Mund. Er nahm einen weiteren Schluck Kaffee, während er an den Haaren auf seinem Nacken zupfte. Während des Kauens stellte er den Becher Kaffee auf den Nachttisch. Bevor er sich wieder seinem Tagebuch widmete, erblickte er ein T-Shirt, das auf dem Boden lag und das den handgeschriebenen Text des Abschiedsbriefes trug, den er einige Wochen vorher empfangen hatte.


Lieber Denver,

denke nicht mehr über die alten Zeiten nach! Was du machst, hat nichts mit Liebe zu tun. Es ist aggressiv und macht mich aggressiv. Mach’ deine Augen auf! Unsere Beziehung existiert nicht mehr. Es ist vorbei. Ich möchte dich nicht mehr sehen. Ich möchte nichts mehr von dir hören. Ich möchte nichts mehr über dich lesen. Lass’ mich in Ruhe und kümmere dich um dich selbst und um dein eigenes Leben. Ich habe nichts mehr damit zu tun.

Peach


Denver hatte seit diesem Brief Peach nicht mehr gesehen. Unter dem Vorwand, seine Sachen abzuholen,

hatte er versucht, mit seinem früheren Liebhaber noch einmal zu sprechen, aber dieser zeigte

kein Interesse. Die gewünschten Sachen wurden einfach vor die Tür gestellt, so dass er sie sich jederzeit nehmen konnte. Selbst die Kunstgegenstände, die er für Peach geschaffen hatte, wurden zurückgegeben.


Er blätterte einige Seiten in seinem Tagebuch zurück und berührte die Wörter, die er geschrieben hatte und er spürte ihre Stärke und empfand ihre Traurigkeit. Er war ziemlich überw.ltigt und seine Augen schwollen an vor Tränen. Er verzog sein Gesicht in Trauer am Ende des letzten Satzes, wobei eine Träne über seine Wange lief. Ich habe Glück, dachte er, ich habe ein Dach überm Kopf. Ich bin völlig gesund, wenn ich von den Zahnschmerzen absehe, die mich etwas stören. Hoffentlich wird’s nicht schlimmer. Unberufen! In der Küche ist etwas zu essen. Ich hab’ einen Job. Es fehlt nur eins:

Liebe.


Aus der Sache mit dem dritten Mann wurde nichts. Das Vorhaben war Peach zu viel. Als ich Änderungen machte, unsere Beziehung zu vertiefen, dachte er eher an das Gegenteil. Und wie das Schicksal so spielt, würde er mich wegen eines Arbeitskollegen verlassen, eines Menschen, den ich praktisch täglich sehe. War diese Art von Verletzung nötig? Was hatte ich falsch gemacht, um solch eine negative Reaktion auszulösen?


Dean mochte ich nie. Er ist so charmant wie eine Zwiebel. Er ist der glückliche Sonnyboy mit viel Tralala im Kopf. Nun verabscheue ich ihn. Wenn immer ich Dean gegenüber die Trennung zu erwähnen versuchte, wich er aus und meinte, sie ginge nur Peach und mich etwas an. Aber Dean, du verstehst es einfach nicht. Du bist es, der zwischen Peach und mir steht. Du bist der Grund dafür, dass ich mich nicht mehr mit Peach verstehe.


Natürlich geht’s Dean prächtig und wagt er nicht, es laut allen meinen Arbeitskollegen zu sagen. Ich kann seine freudige Stimme überall im Geschäft hören, selbst bei lauter Musik. Überhaupt kein Taktgefühl: sein entspanntes Sprechen über die tollen Aktivitäten mit seinem neuen Freund, das meine Gefühle missachtet. Ich bin nicht überempfindlich. So ist es tatsächlich. Ich kann sein fröhliches Gesicht am Arbeitsplatz nicht ertragen. Ich ärgere mich sehr, wenn er Peachs Kleidung trägt, fühle mich zunehmend gekränkt. Peach hat ihm sogar den grauen Rucksack gegeben, den ich ihm geschenkt hatte, als ich begann, gelbe Kleidung zu tragen. Und warum? Verdammt noch mal! Dean! Schon der Name klingt verdächtig.


Ich möchte experimentieren, die Grenzen von Beziehungen erkunden. Ich will mich nicht einem konventionellen Schema anpassen. Aber weil ich mich zu stark aufdrängte, bin ich in ein seltsames Dreiweg-Psychodrama der Nähe hineingezogen worden. Peyton Place mit einem Hauch Kalifonien-Blasiertheit. Wir spielen alle ‚Bettchen, wechsle dich!‘, schleichen überall herum wie Katzen mit dem Hintern in die Höhe in einer heissen Sommernacht. Sicherlich sind wir schnell gelangweilt. Diese Stadt verfügt über all das, von dem die TV-Seifenopern zehren. Sie ist krank und das ist wahr.


Er legte seinen Kuli ab und verharrte in Stille. Als er wieder zu schreiben begann, hatten ihn seine Gedanken zum Mond gelangen lassen und wieder zurück. Als er zurückkehrte, machte er eine Bestandsaufnahme seines Zimmers. Obwohl sein Herz in der Gosse lag, sah alles so wie immer aus, allerdings etwas unordentlich.


Ich schätze, ich habe Glück. Ich versuche weiterhin, mich zu überzeugen. Ich muss hinaus nach Fresno, San Francisco, Lake Tahoe. Ich lebe im Paradies, wenn auch in Langeweile. Meine Karriere macht Fortschritte. Ich hatte eine grosse Ausstellung bei ‚End Art‘. Es gibt bald eine weitere in der ‚NoToDo‘-Galerie. Aber all das interessiert mich nicht. Ich verdiene eigentlich nichts mit Kunst. Ich kenne gute Freunde, die sich um mich kümmern werden. Ich muss ein gutes Karma haben. Warum dann dieser plötzliche Abstieg in die Einsamkeit? Muss dass sein?


Irgendwie kann ich nur immer an mein Elend denken, obwohl ich künstlerisch tätig bin. Ich habe nicht den Eindruck, dass der Erfolg viel mit mir zu tun hat. Nach so vielen Jahren der Arbeit für die Gemeinschaft bekomme ich endlich etwas Geld dafür. Nun, ich muss mich etwas beklagen, um Aufmerksamkeit zu erregen. Wie unkalifornisch von mir!


Geboren, geboren, geboren um nett zu sein. Vielleicht sollte ich einen Psychiater aufsuchen oder einen Guru kennen lernen. Ich brauche Rettung. Der Fatalist in mir hat den Test bestanden. Ich bin stark. Ich brauche nicht stärker zu werden. Wie passt mein Ich in all dies hinein?


Ich hoffe, dass mir nicht ein weiteres schlechtes Jahr bevorsteht. Pups Donut. Ein besserer Name für eine Band. Ein ewiges Kreisen. Wir wiederholen die gleichen Fehler immer und immer wieder.

Oh! Ich bin so blöd. Ich nehme an, wenn ich am Boden liege, dann ist jemand an der Spitze. Worin besteht der Unterschied, wenn jemand weitergeht, wenn jemandes Eingeweide auf dem Boden umherliegen, oder wenn jemandes Herz zerbrochen ist und blutet. ‚Der gleiche Unterschied!‘, wie Mutter zu sagen pflegte. Können wir nicht einfach einander lieben, anstatt ständig Unterschiede zu

betonen?


Und ein schwieriges Problem gibt es nicht!


Wenn’s mit der Liebe falsch läuft, wird nichts richtig. Wenn mich das Indigo-Gefühl überwiegt, möchte ich am liebsten sterben.


Mein Lieblingsgetränk ist Wein/en, und ich habe es alles zu Papier gebracht.




Mädel, ich finde kein Ende!


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